Landscapes of Desire | book

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Landscapes of Desire
Alwin Lay & Alexander Basile
21.03 – 23.04.2014
Baustelle Schaustelle, Essen, Germany

Landscapes of Desire von Alexander Basile und Alwin Lay
Das Auto des einen Künstlers überfährt das Auto des anderen. Die Arbeit „Landscapes of Desire“
zeigt ausgehend von einer verwirklichten Zerstörungsfantasie, wie sich im Rahmen eines Fotobuchs
eine komplexe Auseinandersetzung mit fotografischen Bildern entfaltet. Es spielt dabei mit
künstlerischen und männlichen Rollenbildern und Sehnsüchten, ökonomischen und ästhetischen
Wertesystemen. Die Gemeinschaftsarbeit der beiden Künstler Alexander Basile und Alwin Lay
verhandelt dabei das Format Künstlerbuch, in dem geteilte Autorschaft und geteilte
Autoleidenschaft ineinander laufen.

Ausgangspunkt der Arbeit ist das rituelle Überrollen des alten Ford Mondeo von Alwin Lay durch
den Land Rover von Alexander Basile auf einem Kölner Schrottplatz. Die fotografische
Dokumentation der zunächst befremdlichen Situation lieferte das Material für den folgenden
Prozess. In einem zweiten Schritt stellten die Künstler die Szenen mit Hilfe von
Modellbahnzubehör für Landschafts- und Häuserbau im Maßstab H0 (1:87) detailliert nach.
Einzelne Aufnahmen wurden exakt in Miniaturform dupliziert, wobei die Autos jeweils der
Szenerie entnommen sind. Die Leerstellen, die die Wagen hinterlassen, Details, die auf den
Originalaufnahmen nicht zu sehen sind, wurden spekulativ erzeugt und so als reine, leere
Schauplätze neu konstruiert. Die Modelle wurden perspektivisch identisch abfotografiert –
Landschaftsfotografien eines Modellschrottplatzes.

Im Buch stehen beide Bildversionen sich gegenüber. Sie zeigen nebeneinander die gleiche Szene,
kehren dabei allerdings unterschiedliche Konventionen von Bildtypen hervor. Die Bildpaare werden
zu verdrehten Ableitungen und Übersetzungen voneinander, wobei ihre zeitliche Abfolge und die
Logik von Original und Abbild, Modell und Wirklichkeit verschwimmen.
Die Originalfotografien sind kleinformatig abgedruckt und verweigern dabei ihren eigentlichen
dokumentarischen Wert. Sie vermitteln weniger einen spektakulären Schauwert, sondern zeigen
verwirrende Momente der absurden Interaktion beider Fahrzeuge. Die stillgestellte Bewegung
erzeugt eher den Eindruck einer sanften Kollision, einer choreographierten, erotischen Begegnung.
Sie scheinen sich eher anzuschmiegen als zu bedrohen, der eine auf dem anderen. Es stellt sich auch
die Frage, ob die Bilder eine Skulptur zeigen, einen performativen Akt, oder ob sie allein elegante
Bildkompositionen sind. Sind die Autos Stellvertreter der beiden Künstler oder Stellvertreter von
Künstlermodellen oder unterschiedlicher Automodelle oder einfach nur Autos?
Die Fotografien der Miniaturen sind dem gegenüber vergrößert und ganzseitig aufgezogen. Sie
werden sowohl zu Detailaufnahmen einer Kulisse als auch Erschaffung eines unwirklichen Ortes.
Sie zeigen eine ästhetisierte, geglättete Variante der unruhigen, tristen Schrottplatzumgebung. In
den Miniaturidyllen wird der eigentlich randständige, unschöne Ort zum Protagonisten der Bilder.
Die Modelle überhöhen Situation ins Unwirkliche, ins Ersehnte. Die Modelle kehren das raue und
ungastliche Szenario der Originalaufnahmen in eine rührend detailliert gestaltete Niedlichkeit. Der
motorisierten Machtgeste wird ein boyish charm spielerischer, jungenhafter Basteleien zur Seite
gestellt.

Die Makroaufnahmen irritieren die Sehgewohnheit. Sie sind nicht unmittelbar als Makroaufnahmen
erkennbar. Entgegen gestalterischer Konventionen sind sie mit hoher Tiefenschärfe aufgenommen,
einer sehr detaillierten und wirklichkeitstreuen Darstellung, wie man sie bei tatsächlichen
Landschaftsaufnahmen verwendet. Es sind klare, genaue Abbildungen eines unspezifischen,
gefälschten und sehr kleinen Ortes. So verschleiern sie den visuellen Bezugsrahmen und
verunklaren ihren Wirklichkeitsgehalt. In den Bildpaaren stehen sich unwirkliche Wirklichkeit und
wirkliche Unwirklichkeit gegenüber.

Die Makroaufnahmen sind auf Affichenpapier gedruckt, mit blauer Rückseite wie es für Plakate
verwendet wird. Sie tragen so die Materialität von hochauflagigen Druckerzeugnissen. Dem
gegenüber sind die Dokumentationsbilder auf partiellem Hochglanzpapier gedruckt, entsprechend
einer Verwendung für ästhetisch höherwertige fotografische Reproduktionen. Die Ordnung stellt
unterschiedliche Distributions- und Werteverständnisse von Bilden im Buch nebeneinander und
rhythmisieren es.

Dem Bildteil ist eine Textarbeit des Kölner Künstlers Johannes Wohnseifer nachgestellt.
Wohnseifer, ebenfalls Autoliebhaber, kompilierte den Text im Cut-up-Verfahren aus Chatrooms der
Schweizer Graffiti-Szene. Der Text zeigt, neben den vulgären Anpöbeleien der Forenmitglieder,
Episodentiteln von Fernsehserien, Wort- und Satzschnipsel aus massenmedialen Kontexten, die der
fotografischen Arbeit und den beiden Künstlern zugeeignet sind, sowie ein Buchstabenbild, das eine
nackte Frau darstellt. Der Text ist auf rosafarbenem Papier gedruckt.
Text Baptist Ohrtmann

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